Tierschutzhund und Erwartungen: So wird es ein perfektes Match

Jetzt, jetzt endlich ist es soweit: Du planst in naher Zukunft die Anschaffung deines Tierschutzhundes. Du durchforstest Webseiten und Social Media, um den passenden Hund für dich zu finden. Du liest Vermittlungstexte, schaust dir Bilder und Videos an und hast vielleicht auch schon ein regionales Tierheim besucht.

Bevor du dich auf eine Organisation deines Vertrauens festlegst und dich durch die verschiedenen Profile der Hunde klickst, gibt es einen wirklich wichtigen Schritt zu gehen:

Überlege dir, was du von deinem Hund erwartest und welches Leben du mit ihm führen möchtest, um den richtigen Hundetyp auszuwählen. Mache dir bewusst, wie du dir das Zusammenleben mit deinem Tierschutzhund vorstellst. Von welchen gemeinsamen Aktivitäten träumst du, und bei welchen Aktivitäten wird dein Hund eher ein passiver Begleiter sein?

Vielleicht soll dich dein Hund zur Arbeit ins Büro, ins Café oder auf den Spielplatz mit den Kindern begleiten oder häufig mal im Auto warten – also eher passiv sein.

Möchtest du einen bestimmten Hundesport betreiben, wie Mantrailing, Agility oder Dummy-Training, oder willst du mit deinem Hund joggen, wandern oder Rad fahren? Wovon träumst du hier? Wo finden eure gemeinsamen Gassi-Runden statt? Läufst du meist entlang einer verkehrsreichen Straße in der Innenstadt oder wohnst du direkt am Wald oder Feld? Überlege dir im Detail, was dein Hund in verschiedenen Alltagssituationen tun soll. Beschreibe dabei sein Verhalten, zum Beispiel: Auf dem Spielplatz liegt der Hund über eine Stunde ruhig neben dem Kinderwagen, während ich mit den Kindern im Sand spiele.

 

So gehst du vor:

  • Liste deine typischen Alltagsaktivitäten auf – am besten für eine ganze Woche. Notiere auch, wie viel Zeit du für jede Aktivität aufbringst. 
  • Überlege, welches Verhalten dein Hund dabei zeigen soll. Wo befindet er sich? Was macht er? Wie reagiert er auf die Umwelt? Hier geht es erst einmal um deine Vorstellungen und die Bilder, die du im Kopf hast. 
  • Ergänze die Aktivitäten, die du speziell für deinen Hund geplant hast. Beschreibe im Detail, wie du dir die gemeinsame Zeit vorstellst, und halte dies schriftlich fest.

Aus deinen Wünschen und Vorstellungen kannst du auf der Sachebene ableiten, welche Lebensumstände dein Hund aus dem Tierschutz erwarten.

 

Welcher Typ Hund passt zu deinem Leben?

Hier wird es etwas kniffliger! Ob dein Leben und dein Hund zusammenpassen, hängt von mehreren Faktoren ab. Natürlich kann dein Hund viel lernen – Hunde sind sehr anpassungsfähig. Doch Lernen kann unter ungünstigen Bedingungen erschwert sein.

Ein Hund, der beispielsweise kein Leben im städtischen Umfeld kennt, könnte von der Fülle an Eindrücken überfordert sein. Ein ruhiger Spaziergang durch die Stadt könnte ihm anfangs unmöglich erscheinen. Das kann sich durch Verbellen von Menschen, anderen Hunden, Autos oder Radfahrern äußern. Manche Hunde gehen aus Überforderung gar nicht vor die Tür und lösen sich in der Wohnung.

Manchmal ist die Umwelt so überwältigend, dass eine behutsame Gewöhnung kaum möglich ist.

 

Was ist auf der Seite des Hundes zu beachten?

  • Welche Gene trägt dein Hund? Hier geht es nicht nur um eine eventuelle Rassezugehörigkeit und die damit verbundenen Bedürfnisse. Auch die Lebensumstände und das Wesen der Elterntiere spielen eine Rolle – auch wenn oft nur Vermutungen möglich sind. Die genetische Basis beeinflusst das Verhalten und die Fähigkeit, sich an ein Lebensumfeld anzupassen. Ein Hund, der über viele Generationen darauf gezüchtet wurde, große Flächen nach Wild abzusuchen, wird das Leben an kurzer Leine in der Innenstadt vermutlich schwer finden. Die Wahrscheinlichkeit, dass er an der Leine zieht, ist groß.
  • Welche Erfahrungen hat dein Tierschutzhund in der frühen Sozialisation gemacht? Das Nervensystem eines Hundes braucht für seine Entwicklung eine stimulierende Umgebung. Hunde, die in ihrer Welpenzeit sehr abgeschieden gelebt haben und kaum Umweltreize kennengelernt haben, können die vielen neuen Eindrücke nur schwer verarbeiten. Das kann eine Ursache für Überforderung sein. Auch eine massiv stressende Umgebung ist nicht förderlich: Hunde, die von einer sehr gestressten Mutter aufgezogen wurden, sind oft anfälliger für Stress und können diesen schlechter verarbeiten. Das äußert sich beispielsweise in starker Unruhe oder häufigem Bellen.
  • Hat der Hund traumatische Erlebnisse erlebt und trägt er möglicherweise psychische Folgen davon? Starke Ängste können einen Hund so sehr belasten, dass er sich nicht aus dem Haus traut, sich nicht anfassen lässt oder sich nur bewegt, frisst und löst, wenn die Menschen im Haus schlafen.

 

Und nun blicken wir noch einmal auf deinen Entscheidungsprozess:
Du hast reflektiert, welche Lebensumstände du deinem Hund bieten kannst, und du hast überlegt, in welcher Form du mit ihm aktiv sein möchtest. Auf dieser Basis hast du ein „Profil“ des für dich passenden Hundetyps entwickelt. Nun folgt der nächste Schritt: die Suche nach dem passenden Hund – das Lesen von Vermittlungstexten und das Kennenlernen verschiedener Hunde. Prüfe, ob das Profil des Hundes zu deinen Vorstellungen passt. Bedenke, dass Vermittlungstexte Momentaufnahmen sind, die den Hund im aktuellen Umfeld beschreiben. Wie er sich in deinem Lebensumfeld fühlt und verhält, kann niemand voraussagen. Doch es ist möglich, abzuwägen, wie wahrscheinlich es ist, dass Hund und Umfeld harmonieren.

 

Ein Beispiel aus der Praxis

Der freundliche, menschenbezogene Rüde IX aus Rumänien wurde in die Innenstadt vermittelt. In der Wohnung zeigte er sich freundlich und verspielt. Doch um sich zu lösen, musste er durch ein Treppenhaus auf eine Hauptverkehrsstraße, um zu einem kleinen Stadtpark zu gelangen. Sehr schnell wurde deutlich, dass ihn die Geräusche, Menschenmengen und die Bewegungseinschränkung durch die Leine stark überforderten. Er begann, an der Leine frustriert zu bellen. Solche Geschichten erlebe ich als Trainerin häufig. Nicht immer ist es möglich, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen.

 

Ein Hund aus dem Auslandstierschutz bringt ein „Köfferchen voller Überraschungen“ mit. Eine Alternative ist es, einen Hund aus einem lokalen Tierheim oder von einer Pflegestelle kennenzulernen. Bedenke aber, dass sich ein Hund nach seiner Ankunft nicht sofort so verhält, wie er es tun wird, wenn das Umfeld vertraut ist und er sich sicher fühlt. Mehrere Besuche helfen oft, ein besseres Bild zu bekommen.

 

Fazit

Wie du siehst, gibt es viele Faktoren zu beachten, bevor du einem Hund aus dem Tierschutz ein Zuhause gibst. Entscheidend sind nicht nur die räumlichen Bedingungen und deine Erwartungen, sondern auch die Voraussetzungen des Hundes – seine Genetik, Sozialisation und Erlebnisse. Eine sichere Entscheidung gibt es nie. Je weniger Kapazitäten du hast, langfristige Herausforderungen zu bewältigen, desto sicherer solltest du dir in deiner Wahl sein. Mein Angebot Eine unabhängige Meinung einer Fachperson kann hier sehr hilfreich sein.

 

Gerne kannst du dir für die Beratung vor der Anschaffung eines Tierschutzhundes einen Termin bei mir buchen. Schreibe mir dazu einfach eine E-Mail an info@dogabout.de mit dem Betreff: Beratung vor der Anschaffung eines Tierschutzhundes